2019-12-09

Die andere Seite des Fensters.

Fnf der Mnzen.jpgAuf der Karte “Fünf der Münzen” ist ein Fenster hell erleuchtet. Dahinter ist es sicher warm und behaglich. Die zwei Menschen vor dem Fenster sind davon ausgeschlossen. Sie irren durch das Schneetreiben. Ihre Kleidung scheint nicht kältetauglich zu sein und einer stützt sich auf Stöcke. 
 
Das erleuchtete Fenster ist ein Abbild der vorweihnachtlich geschmückten Fußgängerzone, in der ich flaniere. Menschen strömen durch die festlich geschmückten Passagen. Weihnachtsdekoration prunkt in den Schaufenstern, die alles, was das Herz begehrt, ausstellen. Es duftet nach gebrannten Mandeln, nach gebratenen Würsten. An Stehtischen wärmen sich die Menschen von innen mit Glühwein.
 
In einer Nische entdecke ich den Bettler. Er kauert mit seinem Hund auf dem Boden. Auf dem Teller vor ihm liegen ein paar Münzen. Der Kopf des Hundes lugt aus einer Decke hervor. Sein Besitzer hat nur einen Pullover an. “Die nehmen die Hunde mit, damit die Leute ihnen mehr Geld geben” höre ich eine Frauenstimme. Das ist möglich. Vielleicht ist der Hund aber auch das einzige Wesen, das diesem Mann zugetan ist. Eine Seele, die bei ihm ist, wenn alle anderen ihn verlassen haben. Dem Hund ist warm unter der Decke aber wo hat der Besitzer seinen Mantel? Von dem Geld, das er sich erbettelt, kann er sich Schnaps kaufen. Er kann aber auch Nahrung davon kaufen, für sich und für den Hund.
 
Die Karte “Fünf der Münzen” steht für brüchigen Boden. Für Verlassenheit, Mangel und Entbehrung, aber auch für die Zuwendung, die in Krisenzeiten bitter nötig ist. Ich bin auf der anderen Seite des Fensters. Mir ist warm und ich bin satt. Ich alleine kann dieses Fenster nicht öffnen. Zu fest sind die Riegel eingerastet. Ich gehe zu den beiden und lege einen Schein in den Teller. Der Mann hebt den Kopf und nickt mir zu: “Frohe Weihnachten”.
Tarotkarte “Fünf der Münzen” von Tatjana Potemkin 

Admin - 14:33:46 @ Allgemein

 
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